Freitag, 12. Oktober 2012

Primark versus Dennis

Eigentlich wollte Y Chi heute nach Essen, zum Primark, ein Textildiscounter, d.h. Klammotten saubillig. Ich habe Urlaub und freue mich, einen Tag mit ihr verbringen zu können, obwohl ich mich die ganze Zeit entweder gelangweilt und ziellos hin und her zwischen den Kleiderständern bewegen, oder irgendwo, am besten bei McCafé, genüsslich meine Latte drinken werde. Und zwar für mindesten 3 bis 4 Stunden am Stück, denn die Schlange bei Primark, egal ob zur Anprobe oder zum Bezahlen, ist wie die chinesische Mauer: eine unendliche Serpentine. Für mich erscheint sie sogar wirklich wie eine Mauer, sie bewegt sich keinen einzigen Zentimeter.

Aber - ich habe gelernt, dass im Leben das Wort ""aber" mindestens genau so viel wie das Wort "wie geplant" vorkommt - Y Chi hat das "geplante" Vorhaben abgesagt. Wegen Dennis. Wer ist Dennis? Ich habe ihn nie gesehen. Er kommt aus Osnabrück. Das ist die einzige Information, die ich habe. Aber ich vertraue meiner Tochter. Und Gerhard. Er hat bisher nichts Schlechtes über Dennis erzählt. Und Dennis trifft sich auch noch mit anderen Freunden aus Aachen, d.h. eine Art Freudetreff.

Als ich Schülerin war, hatte ich nie einen Freund. Mein Freundeskreis bestand nur aus sehr zickigen und weniger zickigen Mädels. Wir haben uns außerhalb der Schule im Park, auf der Straße, an dem Schildkrötenbrunnen (ein damals unter Schülern sehr bekannter Treffpunkt, eine künstlich angelegte Wasserpfütze mit einer aus Metall geschaffenen Schildkröte in der Mitte) getroffen. Selten waren wir bei einem zu Hause. Wir mochten nicht, dass unsere Eltern mitbekamen, was wir ausheckten, worüber wir redeten. Vor allem, wir hatten kein eigenes Zimmer wie die Kids hier in Deutschland.

Ich kann nicht sagen, ob ich das Rendezvous mit einem Cliquenfreund dem einen Textildiscounter vorzöge. Denn, zu meiner Zeit gab es kein Primark und einen Dennis kannte ich auch nicht.
Aber - schon wieder das wohl oft vorkommene Wort - Eltern kann man nicht aussuchen. Sie sind einfach da, sowie einer selbst.
Einen Freund, einen echten Freund, muss man wirklich suchen, um ihn zu finden.

In unserer Branche verachten wir die amerikanische Arbeitsweise "trial and error", auf deutsch "Versuch und Irrtum", eine heuristische Methode, um Probleme zu lösen, bei der so lange zulässige Lösungsmöglichkeiten probiert werden, bis die gewünschte Lösung gefunden wird. Dabei wird oft bewusst auch die Möglichkeit von Fehlschlägen in Kauf genommen. Die Deutschen forschen, diskutieren, debattieren, meeten, führen Telcos bis die Ohren steif und taub werden, und irgendwann schreiten sie zur Tat.

Freunde suchen und finden ist wirklich eine Trial-And-Error-Methode. Der Unterschied zur Programmierung ist, Fehlschläge in Bezug auf menschliche Beziehung hinterlassen manchmal tiefe Wunden.

Ich hoffe, dass Dennis ein Primark-Shopping-Day wert ist.


Primark



Dennis

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